
Manchmal sitzen Kinder in der Lerntherapie vor uns, und es ist, als wären sie gar nicht da. Der Blick schweift ab, der Körper wirkt schlaff oder fahrig, die Rückmeldungen sind spärlich oder ausweichend. Vielleicht reagieren sie auf Anregungen mit einem knappen "weiß nicht", zucken die Schultern oder entziehen sich still der Situation. Solche Momente können verunsichern. Sie fühlen sich an wie Stillstand, manchmal wie Scheitern. Doch genau hier liegt ein bedeutsamer Kern unserer Arbeit: im Annehmen dessen, was gerade ist, und im Aushalten von Leere, ohne diese vorschnell füllen zu wollen.
Du erkennst dein Kind in diesen Beschreibungen wieder und wünschst dir Unterstützung? Ich biete individuelle Lerntherapie in Neu Wulmstorf und Hamburg – auf Wunsch auch online.
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Blockaden können Botschaften sein, oder eine erlernte Verhaltensweise
Was von außen wie "nicht mitmachen" wirkt, ist oft Ausdruck innerer Anspannung, Überforderung oder Schutz. Kinder, die sich verweigern, tun das nicht gegen uns, sondern für sich. Sie regulieren, was ihnen möglich ist. Vielleicht ist die Schule zu viel, der Alltag zu laut, die Anforderungen zu hoch. Vielleicht ist das Selbstbild so fragil, dass jede Aufgabe als potenzielles Scheitern erlebt wird. Nicht mitzumachen kann eine Form des Selbstschutzes sein. Vielleicht hat dieses Kind gelernt, dass es mit dieser Verhaltensweise nicht versagen kann und auch nicht verletzt werden kann.
Diese Perspektive ändert den Blick: Statt „Wie bringe ich dieses Kind dazu, mitzumachen?“, könnte die Frage lauten: „Was braucht dieses Kind gerade wirklich?“
Leere zulassen, Beziehung halten
Es erfordert Mut und professionelle Ruhe, solche Momente nicht sofort mit Aktivität zu überlagern. Wenn ein Kind innerlich abschaltet, hilft es oft wenig, einfach weiterzumachen wie bisher. Viel hilfreicher kann es sein, den Raum zu öffnen: für einen Blick aus dem Fenster, für einen Moment der Stille, für eine Geste, die signalisiert: "ich sehe dich. Und ich warte mit dir.“
Hier zeigt sich eine zentrale Kompetenz lerntherapeutischer Beziehungsgestaltung: präsent zu bleiben, ohne zu drängen. Nicht jedes Kind kann sich im gleichen Tempo öffnen. Manchmal braucht es Minuten, manchmal Wochen. Aber die Erfahrung, nicht unter Druck zu geraten, sondern in seinem Tempo angenommen zu sein, kann ein starker Impuls für Entwicklung sein.
Kleine Impulse statt großer Interventionen
In Phasen innerer Abwesenheit oder Blockade helfen oft keine neuen Methoden, sondern veränderte Haltungen. Eine ruhige Stimme, ein Perspektivwechsel, eine spielerische Intervention ohne Leistungsdruck. Vielleicht ein leises: „Magst du mal aufmalen, wie es dir gerade geht?“ Oder: "Du musst gerade gar nichts tun. „Ich bin da.“
Hilfreich können auch sinnlich konkrete Impulse sein: ein Knetball, ein Sensorikspiel, eine Karte ziehen, ein stiller gemeinsamer Moment mit Musik oder einem Klangspiel. Es geht nicht darum, die Situation zu „retten“, sondern sie zu halten. Aushalten. Begleiten.
Beziehung vor Aufgabe
Lerntherapie ist Beziehungsarbeit. Fachlich klar und menschlich offen. Wenn Kinder sich innerlich zurückziehen, zeigt das nicht, dass etwas misslingt – sondern dass etwas gesehen werden will. Unsere Aufgabe ist es, diesen Zustand zu verstehen und mitzutragen.
Denn manchmal ist genau das der Anfang: Ein Kind darf leer sein, darf nichts sagen müssen, darf unkonzentriert sein, darf schlecht gelaunt sein. Und erlebt dabei einen Erwachsenen, der bleibt – als Gegenüber. Diese Erfahrung ist oft wirkungsvoller als jede Methode.
Praxisimpulse für herausfordernde Stunden
- Beobachte zuerst, bevor du handelst. Was zeigt das Kind mit Körper, Stimme, Mimik?
- Halte Blickkontakt, ohne zu fixieren. Ein offener, zugewandter Blick kann Halt geben.
- Benutze klare, ruhige Sprache. Vermeide viele Fragen, biete einfache Sätze an.
- Arbeite mit Materialien, die wenig Anleitung brauchen. Puzzle, Sortierspiele, Sensorikmaterialien, einfache Malangebote oder kurze Vorleseimpulse können einen neuen Zugang eröffnen.
- Sei da, auch in der Stille. Manchmal ist deine Präsenz das Wirksamste.

Vertrauen in Entwicklung
Blockaden können ein Teil des Weges sein. Gerade in der Lerntherapie, die sich dem Tempo des Kindes anpasst, sind diese Momente wertvoll. Sie fordern uns heraus, präsent zu bleiben, neu zu denken und kreativ zu begleiten. Und sie erinnern uns daran, dass Innehalten, Lauschen und Warten ebenso ein Teil des Lernens ist.
Vielleicht ist es gerade die Leere, aus der Neues entstehen kann.
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